Bildungsexpansion – Fortschritt oder Illusion?

 

Eine Schule für besonders Begabte, die von nahezu der Hälfte aller Schüler besucht wird, bereits ein Widerspruch in sich ist, das Abitur heutzutage nicht unbedingt ein tatsächlicher Garant für Studierfähigkeit und eigenständiges Denken:

Steigende Abiturientenquote – eine Frage der Relativität

Während in den 1960er-Jahren nur etwa 5 % eines Jahrgangs das Abitur erreichten, liegt die Quote heute in Deutschland bei über 50 %. Das bedeutet nicht zwingend, dass das Niveau gesunken ist, aber es stellt das ursprüngliche Konzept des Gymnasiums als einer „Schule für besonders Begabte“ infrage.

Niveaustabilität vs. Niveauverlust

Es gibt Indizien dafür, dass die Anforderungen in einigen Bereichen gesenkt wurden, etwa durch:

  • Vereinfachung von Prüfungsaufgaben (z. B. weniger komplexe Texte in Deutsch, anwendungsorientierte statt theoretisch-mathematische Aufgaben in Mathe).
  • Mehrfachversuche und weichere Bewertungskriterien in einigen Bundesländern.
  • Fokussierung auf Kompetenzen statt auf Wissen – ein Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine Spezialisierung des Wissens: Schüler sind heute stärker mit digitalen Medien, Fremdsprachen und interdisziplinären Methoden vertraut als frühere Generationen.

Studierfähigkeit und eigenständiges Denken

Viele Universitäten berichten von steigenden Defiziten in den Grundlagenfächern (Mathematik, Textverständnis, Argumentationsfähigkeit). Dies zeigt sich u. a. in:

  • Hoher Abbruchquote in MINT-Fächern (bis zu 50 %).
  • Einführung von Brückenkursen an Universitäten, um Grundwissen nachzuholen.
  • Tendenz zu stärker verschulten Studiengängen, da selbstständiges Lernen schwieriger wird.

Das deutet darauf hin, dass das Abitur nicht mehr automatisch für eine hohe Studierfähigkeit steht, sondern oft nur noch als formaler Zugangsnachweis dient.

Die Bildungsexpansion sollte ursprünglich soziale Mobilität fördern. Doch wenn fast jeder ein Abitur hat, verliert es an Exklusivität – was wiederum den Trend verstärkt, dass Arbeitgeber zunehmend zusätzliche Qualifikationen (z. B. Masterabschlüsse, Auslandserfahrung) verlangen.

Fazit:

  • Eine Schule für besonders Begabte, die von der Hälfte aller Schüler besucht wird, verliert ihren exklusiven Charakter.
  • Das Abitur garantiert nicht mehr in jedem Fall Studierfähigkeit oder kritisches Denken.
  • Ob dies als Niveauverlust oder als Anpassung an eine sich verändernde Bildungslandschaft zu werten ist, bleibt eine offene Frage.

 

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